Pflegegrade entscheiden darüber, welche Zuschüsse Versicherte durch ihre Pflegekasse erhalten. Mit der Pflegereform 2017 wurde das System der drei Pflegestufen durch ein System aus fünf Pflegegraden ersetzt. Mithilfe eines Begutachtungsinstrument werden alle relevanten Aspekte der Pflegebedürftigkeit erfasst, unabhängig davon, ob diese auf körperlichen, psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen beruhen. Entscheidend für die Einstufung in einen Pflegegrad ist der Grad der Hilfsbedürftigkeit und der individuellen Selbstständigkeit des pflegebedürftigen Menschen. Pflegegrad 1 stellt dabei die niedrigste Stufe dar, wobei der Pflegebedürftige eine geringe Beeinträchtigung in der eigenen Selbstständigkeit oder Fähigkeiten vorweist. Der Pflegegrad 5 hingegen stellt die schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung dar.
Die Pflegebedürftigkeit ist in Deutschland durch das Elfte Buch Sozialgesetzbuch definiert. Demnach gelten die Menschen als pflegebedürftig, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb auf Hilfe von anderen angewiesen sind. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer bestehen, das bedeutet für voraussichtlich mindestens sechs Monate.
Pflegebedarf besteht nicht erst dann, wenn man gar nichts mehr allein kann. Entscheidend ist, ob körperliche oder geistige Einschränkungen den Alltag erschweren. Deshalb kann schon dann ein Antrag gestellt werden, wenn der Eindruck entsteht, dass regelmäßig Hilfe im Alltag benötigt wird.
Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die Person, die künftig Mittel von der Pflegekasse erhalten will, mindestens zwei Jahre innerhalb der letzten zehn Jahre in die soziale Pflegeversicherung eingezahlt hat.
Zunächst beantragt man bei der Pflegekasse einen Pflegegrad anhand eines formlosen Antrags. Dies kann entweder per Post, per Telefon oder bei manchen Pflegekassen gar durch eine kurze E-Mail geschehen. Die Pflegekasse sendet dem Antragsteller daraufhin das entsprechende Formular per Post oder per E-Mail zu. Das Formular wird im Anschluss vom Antragssteller bzw. einer bevollmächtigten Person ausgefüllt und unterschrieben zurück an die Pflegekasse gesendet. An dieser Stelle sind noch keine ausführlichen Informationen hinsichtlich des Pflegebedarfs notwendig, denn sobald der Antrag von der Pflegekasse geprüft wurde, beauftragt diese den Medizinischen Dienst zur Durchführung einer Begutachtung. Zur Vereinbarung eines Termins meldet sich die Gutachterin oder der Gutachter anschließend bei der antragstellenden Person. Näheres dazu erfahren Sie auch in unserem Magazinbeitrag: In fünf Schritten zum Pflegegrad.
Eine gute Vorbereitung auf die Begutachtung ist essenziell. Eine besondere Hilfestellung an dieser Stelle sind sogenannte Pflegestützpunkte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort erklären genau, auf was man bei der Begutachtung achten muss und geben Tipps für einen reibungslosen Ablauf. Am besten besucht man den Pflegestützpunkt mit der pflegebedürftigen Person, um sich gemeinsam vorzubereiten.
Grundsätzlich schadet es nicht zum Begutachtungstermin Kopien folgender Unterlagen bereit zu legen, wenn diese vorhanden sind:
Die Pflegekasse beauftragt den Medizinischen Dienst mit der Begutachtung. Bei dem vereinbarten Begutachtungstermin erfasst der Medizinische Dienst den Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen und legt diesen in einem Gutachten fest.
Gesetzlich sind sechs Bereiche definiert, die für die Bewältigung des täglichen Lebens von Bedeutung sind. Diese sind:
In diesem Modul wird die Beweglichkeit der Person bewertet. Dazu zählt unter anderem der Positionswechsel im Bett, das Halten einer stabilen Sitzposition sowie das Umsetzen oder das Treppensteigen. Die Kriterien werden anhand einer vierstufigen Skala beurteilt:
Das zweite Modul bezieht sich auf die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten der Person. Hier werden elf Kriterien abgefragt. Unter anderem sind das die örtliche und zeitliche Orientierung, das Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, das Verstehen von Sachverhalten und Informationen und das Erkennen von Gefahren und Risiken. Diese Kriterien werden ebenfalls anhand einer vierstufigen Skala bewertet:
In Modul 3 geht es um die Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen. Dazu zählen Verhaltensweisen, die für die betroffene Person sowie für die Pflegeperson belastend sein können, wie selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, nächtliche Unruhen, verbale Aggressionen, Ängste, Antriebslosigkeit oder sozial inadäquates Verhalten. Es wird beobachtet, ob und wie häufig solche Verhaltensweisen auftreten. Dies wird anhand einer vierstufigen Skala bewertet:
Gegenüber anderen Modulen werden hier höhere Punktwerte vergeben, damit sichergestellt wird, dass die besondere Bedeutung für den Alltag berücksichtigt wird.
In diesem Modul werden die Tätigkeiten zur Versorgung des Körpers beobachtet. Dazu gehören Tätigkeiten der Körperpflege wie Waschen, Zähne putzen oder Rasieren. Des Weiteren gehören auch das An- und Auskleiden, die Zubereitung und Aufnahme von Nahrung sowie die Toilettenbenutzung.
Mit der vierstufigen Skala werden überwiegend Punktwerte von 0 bis 3 vergeben.
Beim Essen (0 bis 9 Punkte), beim Trinken, der Benutzung der Toilette und der Sondenernährung (0 bis 6 Punkte) sind die Punktwerte erhöht. Dies soll den erhöhten Pflegeaufwand unterstreichen, wenn eines der Kriterien in ausgeprägter Form vorliegt.
Dieses Modul überprüft, wie selbstständig die betroffene Person mit der Behandlung einer Krankheit und der entsprechenden Therapie zurechtkommt. Dazu gehören zum Beispiel die Medikation, Arztbesuche, Wundversorgung oder Verbandwechsel. Die Punktevergabe ist abhängig davon, wie häufig die verschiedenen Maßnahmen von anderen als der Person selbst durchgeführt werden.
In diesem Modul soll festgestellt werden, ob die betroffene Person ihren Alltag selbstständig gestalten kann. Es werden sechs verschiedene Kriterien bewertet. Dazu zählen die Gestaltung des Tagesablaufs, Ruhen und Schlafen, sich beschäftigen, die Zukunft planen und die Interaktion mit anderen Personen. Die Bewertung erfolgt anhand der vierstufigen Skala:
Die Punkte eines jeden Moduls fließen je nach Gewichtung in die Bewertung ein. Von den Modulen 2 und 3 wird nur das Modul mit der höheren Punktzahl gewertet. Zudem gibt es noch zwei weitere Module, die zwar nicht in die Ermittlung des Pflegegrades mit einfließen, jedoch erhoben werden, um den Präventions- oder Rehabilitationsbedarf zu berücksichtigen.
Bei diesem Modul geht es beispielsweise um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder die Teilnahme an kulturellen, religiösen oder sportlichen Veranstaltungen.
Hier werden folgende Kriterien beobachtet: das Einkaufen für den täglichen Bedarf, die Zubereitung einfacher Mahlzeiten, Aufräum- und Reinigungsarbeiten, die Nutzung von Dienstleistungen, der Umgang mit finanziellen Angelegenheiten sowie der Umgang mit Behördenangelegenheiten.
Der Gutachter spricht sich nach der Pflegebegutachtung für einen Pflegegrad aus. Nach Erhalt des Gutachtens evaluiert die Pflegekasse basierend auf dem Gutachten, ob der ermittelte Pflegegrad bewilligt wird oder nicht. Ungefähr fünf Wochen nach dem Hausbesuch wird der antragstellenden Person der Pflegegrad mitgeteilt.
Sollte nach der Begutachtung ein falscher Pflegegrad oder gar kein Pflegegrad festgestellt werden, kann Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt werden. Wenn abzusehen ist, dass sich der Pflegegrad in naher Zukunft ändert, kann außerdem eine Höherstufung erfolgen.
Anschließend kann entschieden werden, wie der bescheinigte Pflegegrad eingesetzt wird. In vielen Fällen werden bereits durch den Gutachter des Medizinischen Dienstes Hilfsmittel vorgeschlagen. Diese können auch ohne gesonderte Genehmigung in Anspruch genommen werden. Weitere Unterstützungsleistungen, wie beispielsweise Pflegegeld, Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes oder Hilfsmittel werden jedoch gesondert betrachtet. Unter diese Kategorie fallen ebenfalls Hausnotrufgeräte, die durch einen gesonderten Antrag bei der Kasse angefragt werden müssen.
Vielleicht überfordern Sie diese vielen Informationen zunächst. Dennoch ist es enorm wichtig einen Pflegegrad zu beantragen, wenn eine Pflegebedürftigkeit besteht. Denn: Pflege ist sehr teuer! Mit dem genehmigten Pflegegrad stehen der betroffenen Person auch finanzielle Leistungen, wie Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Zuschüsse zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen etc. zu. Der “Aufwand” lohnt sich also definitiv! Zudem gibt es eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten, die genutzt werden können. Pflegestützpunkte, Pflegeberatungsstellen oder auch die Pflegekasse sind zuverlässige Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die Beantragung.